Im weiten Ozean der Studien über Marcel Proust ist es schwierig, wahrhaft originelle Perspektiven zu finden. Der Aufsatz von Bertrand Méheust, Der Schriftsteller und die psychischen Wissenschaften, gelingt es jedoch, genau dies zu tun: eine unerwartete Tür zur Arbeit und zum Denken des Autors von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit zu öffnen.
Proust als «wachsender Medium»
Méheust greift einen vergessenen – und manchmal zum Schweigen gebrachten – Aspekt auf, den die Literaturkritik oft übersehen hat: die nahezu extrasensorische Wahrnehmung Prousts, die zur Zeit von einigen seiner Zeitgenossen anerkannt wurde, die ihn als «wachsendes Medium» betrachteten. Aus dieser Perspektive erscheint das Werk Prousts durchdrungen von Telepathie, Hellsichtigkeit und Vorahnung, verstanden nicht als esoterische Extravaganzen, sondern als Metaphern eines Bewusstseins, das über das Gegebene hinausgehen kann.
Die berühmte Szene des Madeleines wird hier zum Beispiel als ein Akt des «Reisen in der Erinnerung» neu gelesen, mit Resonanzen, die der psychischen Erfahrung nahekommen, wo das Gewöhnliche sich in eine Tür zu einer erweiterten Dimension des Bewusstseins verwandelt.
Eine alternative und provokante Lesart
Das Verdienst von Méheust liegt nicht so sehr darin, eine paranormale Interpretation Prousts zu erzwingen, sondern darin, die Stimmen und Dokumente der Zeit wiederzubeleben, die bereits auf diese Wahrnehmungsfähigkeiten hinwiesen. Das Buch fungiert somit als eine gründliche Untersuchung, die einen neuen Blickwinkel auf die französische Literatur des 20. Jahrhunderts und die Figur Prousts selbst eröffnet.
Über die Skeptiker oder die Überzeugten hinaus schlägt Méheust ein anregendes intellektuelles Experiment vor: Proust als jemanden zu betrachten, der es verstand, die Grenzen der literarischen Erfahrung bis in Bereiche des Unsichtbaren zu erweitern.
Warum lesen?
Der Schriftsteller und die psychischen Wissenschaften ist empfehlenswert für:
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Proust-Leser, die hier eine unerwartete Interpretation seines bekanntesten Werkes finden werden.
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Liebe zur Literaturkritik, die bereit sind, die konventionellen akademischen Lesarten zu hinterfragen.
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Neugierige an der Schnittstelle zwischen Literatur und Wahrnehmung, wo das Künstlerische mit dem Psychischen zusammentrifft.
Dieses Buch möchte nicht die kanonische Sicht auf Proust ersetzen, sondern erweitern. Es erinnert uns daran, dass Literatur nicht nur stilistische Analyse, sondern auch Erkundung der Schwellen des Bewusstseins ist.
Zusammenfassend hat Méheust einen Aufsatz verfasst, der nicht nur Literaturwissenschaftler anspricht, sondern auch jeden unruhigen Leser einlädt, in Proust ein intellektuelles und sinnliches Abenteuer neu zu entdecken, das nach wie vor radikal zeitgenössisch ist.










